30.01.2015 von Remo Bitzi

The Haxan Cloak: Eine seltsame Kombination

The Haxan Cloaks selbstbetiteltes Debütalbum war eine Offenbarung: Bobby Krlic (so der bürgerliche Name des Musikers) kombinierte geschickt eine Intensität wie bei Doom-, Drone- und Noise-Acts mit narrativen Strukturen, die in besagten Genres oft vernachlässigt werden. Veröffentlicht wurde das Album 2011 auf dem Post-Metal-Label Aurora Borealis. Zwei Jahre später folgte Excavation auf Tri Angle; ein Werk das weniger auf akustische Instrumente setzt, wie etwa noch der Vorgänger, dafür des Öfteren mit elektronischen Beats überrascht. Damit scheint dem Briten der Durchbruch zu gelingen: Die New York Times beispielsweise zählt das Album zu den zehn besten des Jahres 2013 – neben Lordes Pure Heroine, David Bowies The Next Day und Vampire Weekends Modern Vampires of the City.

Im Jahr vor dieser, nun ja, überraschenden Nomination in die Jahresbestenliste einer der wichtigsten Zeitungen der Welt traf zweikommasieben-Autor Remo Bitzi bei verschiedenen Gelegenheiten auf Bobby: Im März 2013 am Südpol Luzern im Rahmen einer von Edition Gris und zweikommasieben gehosteten Klubnacht zum Beispiel, oder im darauffolgenden Oktober nach The Haxan Cloaks Performance am Lausanne Underground Film and Music Festival. Bei letzterem Zusammentreffen wurde das Gespräch der beiden aufgezeichnet. Ein Ausschnitt davon ist nun hier abgedruckt. Martina Lussi portraitierte Bobby zudem des Nachts im Garten vor dem Casino de Montbenon in Lausanne.

Remo Bitzi Du hast in letzter Zeit oft gespielt…

Bobby Krlic Ja, ziemlich oft.

RB Wie reagiert das Publikum auf dein neues Album?

BK Soviel ich weiss, gut. Ich habe noch keine negativen Rezensionen gelesen. Und das ist mehr, als ich mir hätte erhoffen können – bei einem Album dieser Art… Es ist nicht die einfachste Musik. Das Album ist nicht sehr zugänglich und die Sounds sind weder vertraut noch fühlt man sich beim Hören wohl. Darum überrascht es mich, dass die Leute sich auf das Album einlassen; und gleichzeitig ist diese Tatsache für mich sehr motivierend und schmeichelnd.

RB Wie siehst du dein Album mittlerweile – bist du noch zufrieden damit?

BK Darüber habe ich neulich mit anderen Musikern diskutiert – dabei ging es unter anderem um das Live-Spielen… Ich habe das Album schon so oft live vorgetragen und versuche es mit jedem Mal noch grösser und besser zu machen. Obwohl ich Songs vom Album spiele, sind Live-Performances eine verstärkte Version dieser Stücke – es ist jeweils die intensivste Version, die zum Zeitpunkt der Performance möglich ist. Manchmal, wenn ich mir das Album anhöre, fühlt es sich für mich leise an.

RB …aber langweilen tut es dich nicht?

BK Manchmal ist die Aussicht auf eine Show etwas mühsam. Aber sobald ich die Bühne betrete, entsteht dieser Austausch zwischen dem Publikum und mir. Wenn ich also performe wird es nie langweilig. Ich habe diese Show nun gegen die hundert Mal gespielt. Sie ist nicht langweilig. Jedes Mal ist anders.

RB Ich sah auf Facebook, dass du im Berghain am gleichen Abend wie William Basinski spieltest. Ich mochte die Idee, dass ihr für dieselbe Veranstaltung gebucht werdet. Hat das funktioniert?

BK Es war ein toller Abend. Es ist manchmal lustig, wie alles zusammenkommt: Vor rund acht Jahren schrieb ich meine Abschlussarbeit an der Universität. Eines der Hauptthemen meiner Arbeit war The Disintegration Loops von William Basinski. Und ein paar Jahre später spiele ich nun mit ihm auf derselben Bühne. Das ist unglaublich. Hätte mir damals jemand gesagt, ich würde in acht Jahren zusammen mit William im Berghain spielen, ich hätte es nicht geglaubt. Die Show war auf jeden Fall sehr gut. Williams Konzert war grossartig. Es waren zwei Extreme: Zuerst reizte ich alle Frequenzen aus – und ich war richtig laut. Dann kam William auf die Bühne und bat die Gäste sich hinzusetzen. Er spielte dann dieses sehr ruhige, sehr persönliche Konzert. Das war unglaublich mutig…

RB Mit welchen anderen Künstlern hast du in letzter Zeit gespielt?

BK Ich war gerade eben auf einer UK Tour mit Fuck Buttons. Das war toll. Ben, der in der Band spielt, ist einer meiner besten Freunde. Offensichtlich zogen Fuck Buttons jeweils ein grosses Publikum an – entsprechend kannten mich nur etwa zehn Prozent der Gäste. Die meisten kamen also nicht um mich zu sehen. Nichtsdestotrotz handelte es sich an diesen Konzerten um jene Art von Publikum, die versteht, was ich mache. Die Leute waren sehr offen und liessen sich auf meine Musik ein. Nach den Konzerten kamen dann auch oft Besucher zu mir und sagten: «Ich habe noch nie von dir gehört, aber ich werde mir eine deiner Platten kaufen.» Das ist natürlich super. Hinzu kommt, dass es toll ist, einen der besten Freunde jeden Abend spielen zu sehen.

RB Das kann ich mir vorstellen… Lass uns über heute sprechen!

BK Klar.

RB Hast du dir die anderen Acts angehört?

BK Endon, die Band, die jetzt grad spielt, habe ich während des Soundchecks gesehen. Das war brutal… So richtig. Leider konnte ich mir keine der anderen Bands anschauen. Ich freue mich jedoch sehr auf Emptyset. Ich kenne die beiden als Menschen und ich kenne ihre Musik. Aber ich habe sie noch nie live gesehen – ausser gerade eben, ebenfalls beim Soundcheck. Ich dachte, ich wäre laut! Die haben diesen intensiven Bass. Ich liebe ihre Musik. Und es ist cool ihnen zuzuschauen – die beiden arbeiten auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes.

RB Vomir, der Typ, der vor dir spielte, hat auf der Bühne nicht wirklich viel gemacht; zumindest was ich gesehen habe. Ich sah ehrlich gesagt nicht viel. Am Eingang erhielt man Mülltüten, die man dann über den Kopf stülpen sollte. Irgendwann zog ich die Tüte aus und sah den Typen, wie er einfach da steht und nichts macht…

BK Alle Konzertbesucher hatten Tüten über ihren Köpfen?

RB Ja, ziemlich alle – zumindest am Anfang. Die Leute zogen die Tüten mit der Zeit aus. Es wurde ziemlich heiss darunter. Was ich eigentlich sagen wollte: Ich hatte das Gefühl, ihr beide würdet auf visueller Ebene etwas Ähnliches machen: Als du angefangen hast zu spielen, war da überall Rauch und Blitzlicht. Unter diesen Umständen war es schwierig nicht die Orientierung zu verlieren – genau wie wenn man etwas über seinen Kopf gestülpt hat. Ist es das, was du mit dem Rauch und dem Strobo erreichen willst?

BK Es gibt verschiedene Gründe für den visuellen Teil meiner Performances. Durch verschiedene Auftritte kommt man an viele verschiedene Orte – vor allem wenn man so oft spielt wie ich. Trotzdem macht man immer das Selbe – egal wo auf der Welt man sich gerade befindet. Das ganze Prozedere wird entsprechend zu einer Art Ritual: In den zehn Minuten vor der Performance versetzt man sich in den Live-Spielen-Modus, dann geht man auf die Bühne und just in dem Moment hat man all diese Gefühle. Gefühle die man nur zu diesem bestimmten Zeitpunkt hat. Mit dem Rauch und Licht et cetera versuche ich diesen rituellen Aspekt meiner Konzerte zu wiederspiegeln. Des Weiteren bin ich mir sehr bewusst, dass aus der Sicht von jemandem aus dem Publikum meine Performances visuell nicht sehr viel hergeben. Schlussendlich präsentiere ich ein elektronisches Album. Und wenn man so etwas performt, kann man – abgesehen von wildem Herumfuchteln – nicht viel tun… Mit dem Rauch und dem Strobo kann ich den Sound jedoch um eine visuelle Ebene erweitern – das zumindest versuche ich zu machen.

RB Deine Shows sind als Ganzes ziemlich intensiv. Ich erinnere mich, dass als du Anfang 2013 am Südpol in Luzern spieltest, einige Leute den Raum verlassen mussten…

BK Für mich ist es ok, wenn Leute den Raum während meinen Konzerten verlassen. Vorhin habe ich kurz mit James von Emptyset gesprochen. Er meinte, mein Konzert wäre zu viel für ihn gewesen; darum musste er rausgehen…

RB [lacht]

BK Als er mich zum ersten Mal spielen sah – das war vor einigen Monaten in Österreich – musste er den Raum ebenfalls verlassen. Und das geht für mich, wie gesagt, völlig in Ordnung. Was ich hingegen nicht wollte, ist, dass meine Performance bei jemandem nichts auslöst; also dass jemand denkt, die Show wäre langweilig. Sogar wenn jemand das was ich tue richtig hasst – abgrundtief hasst! – dann ist das ok; weil immerhin zeigt diese Person eine Reaktion. Das ist mir lieber als wenn jemand sagt: «Naja, du weisst schon…»

RB Arbeitest du bereits an neuem Material?

BK [Zeigt auf seinen Kopf] Das ist alles hier drin. Momentan sind die Ideen noch ziemlich abstrakt. Was aber feststeht, ist, dass sich das Album von der aktuellen Platte unterscheidet. Ich denke da an mehr Live-Instrumente – mehr an etwas, das nach einem Ensemble klingt.

RB Also kehrst du quasi zu deinem ersten Album zurück?

BK Ja… Und gleichzeitig nicht wirklich. Was mir vorschwebt ist intensiver – viele Live-Drums; etwas, das eher nach einer Band klingt, glaube ich. Es wäre toll, irgendwann eine Band um mich zu haben. Ob das klappt, hängt vom nächsten Album ab. Ich würde aber nicht bestehende Songs mit anderen Leuten live einspielen wollen. Ich glaube – aus der Sicht eines Zuhörers gesprochen – wenn jemand ein Stück Musik vorträgt und man weiss, dass diese Person es selber geschrieben hat, dann hat man eine

RB Wie ist dein Verhältnis zu den anderen Leuten von Tri Angle? Tauscht ihr beispielsweise Ideen aus?

BK Nein, nicht wirklich. Wir sind aber alle gut miteinander befreundet. Und zum Beispiel Josh [Leary aka Evian Christ] nimmt manchmal Teile meiner Songs und samplet diese um eigene Tracks damit zu machen – das macht er aber nur zum Spass, das ist nichts Offizielles… Tri Angle ist wie eine kleine Familie, das ist cool. Wir bleiben alle in Kontakt. Wir hören oder sehen uns sozusagen jede Woche. Gerade eben war ich auch zwei Wochen mit Josh und Robin [Carolan, Gründer von Tri Angle] in Amerika.

RB Nur so oder hast du auch Konzerte gespielt?

BK Nur so… Wobei, in New York habe ich eine Platte aufgenommen und in Los Angeles war ich wegen ein paar Meetings. Und Josh war eben auch da… wegen dieser Sache mit Kanye [West].

RB Ah, stimmt, diese Sache mit Kanye. Wenn wir schon davon reden: Bei unserem ersten Treffen sagtest du nach dem Abendessen zu Michail [Stangl, a.k.a. Opium Hum, of CTM Festival, Boiler Room Berlin, Not Equal and Leisure System] so etwas wie, du würdest gerne Pop produzieren…

BK Vor kurzem habe ich Wifes neue Platte produziert. Das – verglichen mit meinen Sachen – ist definitiv poppiger. Die Platte, die ich in New York aufnahm, war mit dieser zwei Mann Sludge-Metal-Band namens The Body. Das Album wird auf RVNG Intl. veröffentlicht.

RB Verrückt.

BK Ja, das ist eine seltsame Kombination. Aber es ist für beide Seiten eine coole Veröffentlichung. Zurück zum Thema Pop: Was heisst Pop heutzutage schon… Wenn ich Pop sage, dann denke ich nicht an Kylie Minogue. Verglichen mit dem was ich mache, könnte man eine Menge Sachen als Pop bezeichnen. Schlussendlich interessiert es mich, meine Ästhetik auf andere Sachen anzuwenden und zu schauen, wie das funktioniert.

RB Das ist wohl auch das, was du mit deinem Remix für Cloud Boat gemacht hast?

BK Ja. Das hat Spass gemacht. Ich mag deren Platte sowieso und dann haben die beiden mit mir Kontakt aufgenommen… Ich sagte sofort zu.

RB Das Wife Album, das du angesprochen hast: Das wird ebenfalls bei Tri Angle veröffentlicht?

BK Ja.

RB Wie kam das zu Stande?

BK James [Kelly aka Wife] und ich sind ebenfalls gute Freunde… Wie auch immer, als das Label das Album hörte, dachten sie wohl, es bräuchte noch etwas, damit es ein bisschen intensiver klingt. Die Platte war zu dem Zeitpunkt bereits teils von Roly Porter produziert. Während den letzten paar Monaten sind wir es nun nochmals Stück für Stück durchgegangen. In dem Sinne hatte ich eher die Rolle des Executive Producers.

RB Das klingt nach einer tollen Platte.

BK Es ist ein tolles Stück Musik. Hoffentlich wird noch vor Weihnachten eine Single veröffentlicht. Das Album sollte dann im März folgen.

RB Und was steht bei dir selber an?

BK Ich spiele noch ein paar Shows und dann machen die anderen Tri Angle-Künstler und ich zusammen Weihnachtsferien. Wir gehen in dieses Häuschen in Wales… Wir ziehen uns quasi auf dem Lande zurück.

RB Das klingt nach Spass.

BK Ja, das wird bestimmt lustig.