27.12.2013 von Michael Volken

Benjamin Damage — Per Express nach Berlin

BOLD – ein neues Format im Komplex Klub in Zürich – beschäftigt sich mit ausgewählter elektronischer Tanzmusik. Die alle zwei Monate stattfindende Partyserie wird vom Label Hula Honeys, dem DJ-Kollektiv Dubexmachina und dem zweikommasieben Magazin gehostet. Am 21. September – im Rahmen der ersten Ausgabe von BOLD – wurden gleich zwei internationale Künstler empfangen: Die Rede ist vom Berliner Ex-Berghain-Resident Shed sowie dem UK-Techno-Produzenten und Neuberliner Benjamin Damage.

Michael Volken von zweikommasieben traf Benjamin Damage, der es bevorzugt seine DJ Sets mit USB-Sticks zu spielen, am Tag nach BOLD #1 für ein Interview.

Michael Volken Du stammst ursprünglich aus Swansea. Kürzlich erschien eine VICE-Dokumentation über die Drogenprobleme in der Stadt. Nimmst du deinen Heimatort so wahr, wie er in der Doku gezeigt wird ?

Benjamin Damage Ein Kumpel von mir hat diese Dokumentation produziert. Ich sprach gerade vor ein paar Tagen mit ihm darüber, dass die Leute Swansea nur wegen zwei Dingen kennen: Dieser Dokumentation und Fussball. Die Drogenproblematik ist auf jeden Fall ein grosses Thema. In der Dokumentation wird sie jedoch zu stark ins Rampenlicht gestellt. Ich erlebe die Stadt ganz anders.

MV Hast du in Swansea bereits Musik produziert ?

BD Ja, ich produzierte damals schon ein wenig. In Swansea wurde in den Klubs hauptsächlich Drum ’ n ’ Bass gespielt, was meine ersten Produktionen beeinflusste. Gross ist die Szene jedoch nicht, da es die jungen Leute alle aus der Stadt wegzieht. Die Perspektiven in Swansea sind eher schlecht.

MV Du bist in London gelandet. Hast du dort mehr Musik produziert als zuvor ?

BD Ja, ich habe mehr produziert und aufgelegt als in Swansea. Als ich in London ankam, war sich die Grime-Szene gerade am entfalten. Ich nahm London als sehr einzigartig wahr.

MV Woher kam dein Interesse Musik zu produzieren ?

BD Ich kann nicht sagen, warum ich mit dem Produzieren angefangen habe oder woher meine Motivation kam. Ich wollte einfach schon immer Musik machen. Das Produzieren packte mich auch von Anfang an mehr als das DJing.

MV Kannst du dich noch an den Moment erinnern, als du zum ersten Mal mit einem deiner Stücke zufrieden warst ?

BD Das war beim Track Deeper, den ich mit Venom zusammen aufnahm und der auf Ten Thousend Yen erschien. Die Zufriedenheit setzte aber erst ein, als ich an einer Party in der Farbic in London war. Modeselektor spielte an diesem Abend und plötzlich liessen sie Deeper laufen. Ich hatte schon zuvor in meinen DJ-Sets eigene, teilweise noch nicht fertige Tracks eingebaut. Diese klangen aber meistens nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte – was vielleicht auch an den Klubs lag, in denen ich spielte. Doch an diesem Abend in der Farbic, mit diesem fetten Soundsystem – ich war echt zufrieden.

MV Kannst du also einen Track erst im Klub richtig beurteilen ?

BD Tracks im Klub zu spielen ist für mich ein wichtiger Teil des Produzierens. Ich kann Stunden im Studio verbringen und komme nicht voran. Sobald ich ein Stück im Klub spiele, merke ich sofort, was gut passt und was ich noch überarbeiten muss. Im Klub ist halt alles ein wenig anders. Man hat die tanzenden Leute, den intensiven Bass und die ganze Atmosphäre. Das bringt einen in eine ganz andere Stimmung, als an einem Tag alleine im Studio.

MV Dein Album mit Doc Daneeka besteht nicht unbedingt ausschliesslich aus Klubmusik, sondern beinhaltet auch ruhige Momente. Wie stark bist du auf Klubmusik fokussiert ?

BD Wenn ich eine EP zusammenstelle, ist die für in den Plattenkoffer eines DJs gedacht und darf dadurch ausschliesslich aus Klub-Bangern bestehen. Ein Album hingegen will in voller Länge zu Hause gehört werden und ist ein Gesamtwerk. They !Live produzierten wir im Studio von Modeselektor. Der Masteringtermin war schon bekannt, bevor wir mit der Produktion begonnen hatten. Während dieser Zeit sassen wir jeden Tag im Studio und arbeiteten an verschiedenen Ideen und Tracks und fokussierten uns auf die Sachen, die zusammenpassten. Am Schluss muss ein Album vom Anfang bis zum Schluss funktionieren und ich glaube, das haben wir mit They !Live geschafft.

Benjamin Damage

MV Das Album erschien auf Modeselektors Label 50Weapons. Wie bist du mit den Jungs in Kontakt gekommen ?

BD Begonnen hatte es an jenem Abend in der Fabric. Ich habe Modeselektor nach ihrem Gig getroffen und ihnen erzählt, dass der Track Deeper von mir stammt. Danach tauschten wir E-Mail-Adressen aus und blieben in Kontakt. Einige Wo-chen später – ich war über Weihnachten bei meinen Eltern in Swansea – stellte ich den beiden den Track Creeper zu, den ich mit Doc Daneeka aufgenommen hatte. Ihr Feedback kam unverzüglich – noch bevor sie überhaupt den Track zu Ende gehört haben konnten. Sie spielten Creeper dann am nächsten Tag in San Francisco an einer Silversterparty und boten uns daraufhin an, den Track auf 50Weapons zu releasen. Nach Neujahr verstrichen einige Wochen, in denen Doc Daneeka und ich nicht so produktiv waren. Da kam Modeselektor plötzlich mit der Idee auf uns zu, in ihrem Studio in Berlin ein Album aufzunehmen. Kurze Zeit später zogen wir nach Berlin und wir begannen mit der Produktion der LP.

MV Du warst dieses Jahr an der Red Bull Music Academy. Die RBMA-Teilnehmer haben meistens noch nicht sehr viel Musik veröffentlicht und sind entsprechend noch nicht so bekannt wie du. Wieso warst du erst in diesem Jahr dabei ?

BD Ich hatte mich schon vor einiger Zeit für die Academy beworben. Die Teilnahme wurde ein paar Mal verschoben, so dass es erst dieses Jahr klappte. Es war für mich trotzdem eine sehr tolle Erfahrung. Wir waren in einem gigantischen Studio in New York mit massiven Modularen Synthesizern von Moog aus den Siebziger Jahren. Es hat Spass gemacht, mit diesen Geräten zu arbeiten und all die tollen Leute um mich zu haben. Mit uns im Studio waren beispielsweise Giorgio Moroder und Philip Glass. Sie gaben uns Tipps und Feedback zu unseren Ideen. Das war sehr cool.

MV Glaubst du, dass Philip Glass und Giorgio Moroder einen Einfluss auf deine neusten Produktionen haben ?

BD Das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, dass alles was ich mag und was ich höre, auf mich einen gewissen Einfluss hat. Die Academy und meine Erfahrungen dort vor Ort haben bestimmt einen Einfluss auf meine Arbeit. Ideen sind jedoch meistens auf einmal da, ohne dass ich sagen kann, woher sie genau kommen. Doch es ist sicher richtig, dass Ideen oft aus Musik heraus entstehen, die man hört.

MV Hast du an der Academy mit anderen Teilnehmern zusammengearbeitet ?

BD Ja, es gab ein paar Kollaborationen. Mit Mathew Jonson beispielsweise arbeitete ich an einem Stück, oder auch mit Pleasure Cruiser. Die Sachen mit letzterem sind aber nicht fertig geworden. Es geht bei der Academy auch eher darum, über die eigenen Methoden hinauszusehen und Neues zu lernen, als wirklich zu produzieren. Das Studio war auch nicht optimal eingerichtet um konzentriert zu arbeiten.

MV Die diesjährige Academy fand in New York statt. Wir hatten in letzter Zeit einige Künstler aus NYC an Partys zu Gast – beispielsweise Professor Genius vom L.I.E.S.-Fame, Leftfield-Fav Madteo oder den Hospital Productions-Boss Vatican Shadow. Im Vergleich zu vergangenen Jahren scheint – von hier aus betrachtet – gerade sehr viel Spannendes in New York zu passieren. Wie nimmst du das wahr ?

BD In New York geht momentan einiges, ja. In Manhattan mussten viele Klubs wegen Lärmreklamationen schliessen, daher öffnen neue Klubs in Brooklyn ihre Tore. Da gibt es mehr Platz und die Toleranz fürs Nachtleben ist grösser. In Brooklyn stehen viele alte Fabrikgebäude leer, welche sich ideal als Party-Locations eignen. Ich habe erst kürzlich im neu eröffneten Klub Output gespielt, der sich stark am Konzept des Berghains orientiert. Der Klub funktioniert gut, jedoch ist er Meilen weit vom Berliner Techno-Wahrzeichen entfernt. Um auf die Frage zurückzukommen: Die Szene in New York scheint momentan wirklich sehr gut zu sein.

MV Danke für deine Zeit und die Antworten.