02.03.2018 von Marc Schwegler

Vorhören: PLYXYs «March Of Youth»

Unter dem Pseudonym PLYXY komponiert Ros Knopov in New York schwermütigen, ausufernden Ambient und Noise. Vor der Veröffentlichung seiner EP Gloryland auf Ascetic House kann man «March of Youth» exklusiv bei uns vorhören.

Nach den Jahrzehnten des Kalten Krieges glaubten beim Fall der Mauer viele, dass sich die Beziehung zwischen West und Ost im globalen Gleichschritt des Kapitalismus normalisieren würde. Ja, das Ende der Geschichte wurde herbei geschrieben, angesichts des offensichtlichen Zusammenbruchs sämtlicher Alternativen. Heute sieht das freilich alles wieder anders aus – wobei sich die Beziehung zwischen den Grossmächten zunehmend unüberschaubar und fragmentiert zeigt. Man erinnert sich noch hämisch an George W. Bushs Aussage von 2001, als er meinte, er habe Putin in die Augen geblickt und seine Seele gesehen. Auch das entpuppte sich schnell als nur ein weiterer Irrtum im Unterfangen, ein sich zunehmend imperial gebärdendes Russland unter der Führung des ehemaligen KGB-Agenten zähmen zu wollen. Kläglich gescheitert sind wohl auch Obamas realpolitische Vorstösse der Einbindung der russischen Interessen – die Putin auf der Krim und zunehmend auch in Syrien so oder so militärisch im Alleingang durchzusetzen vermochte und damit die Weltgemeinschaft überrumpelt vor vollendete Tatsachen stellte.

Und dann sind da die rätselhaften und plumpen Annäherungsversuche des gegenwärtigen US-Präsidenten. Sie nähren den Verdacht, die russische Einflussnahme im Präsidentschaftswahlkampf 2016, deren Untersuchung durch Sonderermittler Robert Mueller im US-amerikanischen Kabelfernsehen hyperventilierend mitverfolgt wird, sei mit dem Wissen oder gar der Unterstützung von Trump und seinem zwielichtigen und inkompetenten Umfeld geschehen. Putin derweil, der sich in knapp zwei Wochen in einer Scheinwahl wieder für die nächsten sechs Jahre als Staatschef bestätigen lassen wird, fantasiert diese Woche in der traditionellen (aber vorgezogenen), jährlichen Ansprache vor der versammelten Föderation von seinem wiedererstarkten Russland, das künftig primär dank erneuertem Atomwaffenarsenal dem Westen die Stirn bieten könne.

Wie passend also, erscheint demnächst mit Gloryland die EP des in New York beheimateten russischen Emigranten Ros Knopov. Aus Dnepropetrovsk stammend – der Hauptstadt des Raketenbaus in der ehemaligen Sowjetunion – webt Knopov unter dem Pseudonym PLYXY manipulierte Field Recordings, Samples aus der Soviet-Film-Ära und andere Materialien zusammen. So entstehen schwermütige, nostalgisch angehauchte Ambient-Kompositionen, in denen sich auch Noise-Momente finden. Von den fünf Stücken der Veröffentlichung ist «March of Youth» unser Favorit: Der als leicht drohend pulsierende, geisterhafte Fläche beginnende Track eskaliert im letzten Drittel zum lärmigen, rigiden Marsch. Wir dürfen «March of Youth» als Vorgeschmack auf die bald bei Ascetic House erscheinende EP Gloryland hier präsentieren – und hoffen, dass sich der Titel nicht im Rückblick als düstere Prognose auf die politische Grosswetterlage entpuppt.