05.05.2015 von Remo Bitzi, David Huser

Mount Kimbie – Stück In Einem Akt

Dom Maker und Kai Campos sorgen bereits mit ihrem ersten Release im Winter 2009 für Aufsehen; denn die auf Hotflush Recordings erscheinende EP Maybes öffnet neue musikalische Dimensionen, die bislang nur unzufriedenstellend als «Couch-Potato-Dubstep», «Ambient Hip-Hop» oder «Halfstep» bezeichnet werden konnten. Mount Kimbie – so der nom de guerre des britischen Duos – ist wie ihr persönliches Shangri-La zu lesen, also als einen fiktiven Idealort, wie er einst vom englischen Schriftsteller James Hilton in Lost Horizon beschrieben wurde. Zusammengesetzt wird der Bandname jedoch aus zwei musikalischen Referenzpunkten: Einerseits zitieren die beiden Mittzwanziger The Microphones episches Album Mount Eerie und anderseits den herzzerreissenden Song Kimbie des Jackson C. Frank covernden Nick Drake.

Nach ihrem Debütalbum Crooks & Lovers im Sommer 2010 geben Dom und Kai vorübergehend das Produzenten-Leben zu Gunsten der Bretter dieser Welt auf. Die letzten Mount Kimbischen Lebenszeichen (namentlich die Musikvideos «Would Know» und «Before I Move Off» sowie die EP Carbonated) entspringen darum auch grössten Teils fremden Federn. Filmemacher und Kumpel Tyrone Lebon ist für die zwei Videos verantwortlich; Airhead und Klaus, die die Jungs beide durch Goldkehlchen James Blake kennenlernten, sowie der belgische Techno-Visionär Peter Van Hoesen remixten die Tracks für die jüngste EP der Band.
Nach ihrem Konzert im Winterthurer Kraftfeld treffen Dom und Kai auf Remo Bitzi und Daf Huser, welche sie für eine Zeitschrift befragen und portraitieren.

 

Erste Szene

[Backstage-Bereich mit abgeranzten Sofas, gläsernem Couchtisch, kleinem Kühlschrank und einigen Taschen. Wummernde Bass-Kaskaden dröhnen vom Dancefloor nach hinten und lassen die Wände kräftig scheppern. Dom, Daf und Remo sitzen sich mit Falkenbier in den Händen auf den Sofas gegenüber und sind mitten in einem Gespräch.]

Dom Wir haben James an einer seiner Partys in South London kennengelernt – die Reihe heisst Bass Society und ist ziemlich lustig. Irgendwann meinte James, er mache auch Musik und zeigte uns ein paar seiner Tracks. Einer davon war seine Version von Limits To Your Love. Wir dachten nur «der Typ ist unglaublich!» [Kurzes Innehalten] Das war vor drei Jahren. Wir mochten ihn vom ersten Tag an und irgendwie wurde er dann das dritte Bandmitglied von Mount Kimbie. Zu jener Zeit veröffentlichte er bereits eigene Material auf Hemlock Recordings. [Kai erscheint mit aussergewöhnlicher Flasche in der Hand und irrt ohne etwas zu sagen im Raum umher] Eines Tages setzten wir uns in ein Pub um unsere Zukunft zu besprechen. James meinte, er könne nicht weiter mit uns zusammenarbeiten. Kai und ich ahnten das bereits, denn wir wussten von Anfang an, dass es eigentlich keinen Sinn macht, einen so talentierten Sänger wie James als Back-Up einzusetzen. [Erneutes Innehalten] Aber wir sind nach wie vor in Kontakt. Er ist ein guter Freund – und darum geht es ja schlussendlich.

Remo Kam nach seinem Durchbruch kein Neid auf?

Kai [Lachend aus der Ecke des Raumes, wo der Kühlschrank steht] Massiver Neid!

Dom Er ist unglaublich erfolgreich und trotzdem lieben wir was er macht. Er schickt mir heute noch regelmässig Material. Der Typ ist eine Maschine! Er scheint konstant Musik zu schreiben – auch auf Tour. Neulich hat er mir so richtig harte Dancefloor-Mucke geschickt. Grossartiges Zeugs! James ist einfach extrem vielseitig und offensichtlich unglaublich begabt…

Kai [Mit seiner aussergewöhnlichen Flasche und nun auch einer Tafel Nuss-Schokolade ausgerüstet auf Daf zugehend] Probier das! Zuerst isst du die Schokolade, dann nimmst du einen Schluck vom Bier!

Remo Daf sollte eigentlich Fotos schiessen… [Wenig beeindruckt von Remos Bemerkung folgt Daf Kais Anweisungen]

Dom Ist das Stout?

Daf [Mit vollem Mund] Woah, what the fuck? Eine chemische Reaktion!

Kai [Von der Flasche ablesend] Imperial Stout.

Remo Die bieten hier ein unglaubliches Bier-Sortiment an.

Kai Ja, die haben grundsätzlich alles, was nicht Heineken ist. [Kai ab]

 

Zweite Szene

[Dom und Remo sitzen sich nun alleine gegenüber. Ihre Bierflaschen sind zur Hälfte geleert. Eine dritte halbleere Flasche steht auf dem Couchtisch.]

Remo Was hört ihr denn gerade für Musik?

Dom [Zieht aus einer der herumstehenden Taschen sein MacBook heraus und öffnet dieses] Was habe ich in letzter Zeit hinzugefügt? [Nach kurzem Durchsuchen seiner iTunes-Bibliothek] Wir hören gerade ziemlich oft Wild Beasts. Die machen Indie Rock und sind live ziemlich stark. Der Typ singt super hoch, wie eine Frau – einfach grossartig! [Nun die Augen wieder auf den Bildschirm gerichtet] Wir hören auch Kev Brown, Addison Groove… dann ist da ein Typ, der sich Anstam nennt. Ich weiss nicht, ob du von ihm gehört hast…

Remo Ich glaube nicht.

Dom Er ist Belgier oder irgend so etwas – man weiss fast nichts über ihn. Aber Hotflush ist an ihm dran. Der kommt gross raus, glaub mir! [Kurze Pause] Und dann ist da noch dieser Typ namens Klaus…

Remo Oh, auf einen Klaus Release warte ich seit letztem Sommer!

Dom Er veröffentlicht bald eine EP auf R & S Records. Ich habe gerade die Master gekriegt und die sind verdammt gut… Klaus ist jemand, mit dem wir gerne zusammenarbeiten möchten – er ist unglaublich talentiert und hat einen ähnlichen Approach wie wir ihn hatten, als wir anfingen: Ihm geht es nur um die Musik. Er will sich nicht um all den Scheiss drum herum kümmern.

Remo Gibt es andere Künstler mit denen ihr zusammenarbeiten möchtet?

Dom Ich würde gerne eine Techno-Platte mit Sigha aufnehmen.

Remo [Leicht erstaunt] Aha. Dann kommt der Techno-Einfluss bei Mount Kimbie von dir?

Dom Na, nicht wirklich. Kai und ich mögen etwa die selben Sachen. Aber klar, es kommen Einflüsse von mir und ich finde Techno ein extrem interessantes Genre – darum freue ich mich auch sehr auf die nächste Berlin-Reise.

Remo [Das Goblin-Cover auf Doms Bildschirmschoner entdeckend] …du hörst auch Tyler, The Creator.

Dom Ja, ich hab mir sein Album gekauft. Ist OK, aber nervt auch irgendwie.

Remo Inwiefern?

Dom Es ist ziemlich krank. Ich schaff es nicht das ganze Album in einem Mal durchzuhören. [Nach kurzem Nachdenken] Irgendwie erinnert Tyler mich an Eminem. Aber das ist OK. Ich bin mir nur nicht sicher, was ich von der ganzen Odd Future Wolf Gang Kill Them All-Sache halten soll… Ich hab gehört, dass die Jungs live ziemlich gut abgehen.

Remo Stimmt, hab ich auch gehört. Stehst du gehypten Künstlern generell kritisch gegenüber?

Dom Hypes kümmern mich wenig. Mir geht es in erster Linie um die Musik und was diese in mir auslöst.

 

Dritte Szene

[Dom und Remo sitzen sich noch immer gegenüber und reden. Die Bierflaschen wurden in der Zwischenzeit bis auf ein paar Speichelreste geleert. Kai chillt nun in einem der Sessel, scheinbar abwesend die Augen auf sein iPhone fixiert. Mit seiner Kamera ausgerüstet geht Daf im Raum umher.]

Remo Was kommt als nächstes?

Dom Für uns?

Remo Ja.

Dom Prag, morgen. Wir versuchen nachher noch ein bisschen zu schlafen…

Kai [Apathisch] …und uns zu betrinken.

Dom Im Sommer werden wir dann an einer neuen LP arbeiten…

Remo Verspürt ihr diesbezüglich Druck?

Dom Weniger als beim ersten Album…

Remo Wegen Maybes damals?

Dom Definitiv. Nach Maybes war die Erwartungshaltung extrem hoch. Dazu kommt, dass wir damals noch keine Erfahrung mit dem Schreiben eines Albums hatten und uns darum kümmerten, wie die Platte schlussendlich klingen soll. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert und darum können wir ziemlich locker ans Schreiben des neuen Albums rangehen. [Nach einer kurzen Pause einen plötzlich aufblitzenden Gedanken aussprechend] …und dann spielen wir im Sommer noch am Glastonbury. Vor Auftritten bin ich normalerweise nicht nervös; bei diesem aber schon – das Festival ist riesig!

Kai [Immer noch auf sein iPhone starrend] Ich schaff diesen Level bei Flip Golf einfach nicht. Zu schwierig!

Dom Kai hat sich eben erst ein iPhone geholt – er liebt es und kann die Finger nicht mehr davon lassen…

Remo [Sich an Kai wendend] Kennst du Doodle Jump?

Kai [Die Augen nicht von seinem iPhone lassend] Doodle Jump?

Remo Ja, ich war total süchtig danach!

Kai Wieso denn das?

Remo Ich weiss nicht. Eigentlich hüpft man immer nur hoch. [In Erinnerungen schwelgend] Höher und höher…

Kai [Ohne aufzusehen] Cool, kuck ich mir nachher mal an.

Dom Wie bist du davon losgekommen?

Remo Mein iPod wurde geklaut…

Kai Sechs in Folge!

Daf [Ungläubig] Hole In Ones?

Kai Ja…

Remo Wie fühlt es sich eigentlich an, Teil dieser Dubstep-Szene zu sein?

Dom Gut.

Remo Nervt euch die Kategorisierung nicht?

Dom Ich glaube es ist sehr schwierig über Musik zu sprechen, ohne ein Genre zu nennen – es gehört einfach dazu. Schlussendlich kann ein Wort oder ein Begriff trotzdem nicht für das gesamte Schaffen eines Künstlers stehen.

Kai [Noch immer Flip Golf zockend, mittlerweile in Rage] Fucking Cunt!

Dom [Leicht belustigt von Kais Wutausbruch, ihn aber trotzdem ignorierend] Es ist momentan unglaublich aufregend in Grossbritannien zu sein. Wo auch immer wir hingehen sagen uns die Leute, dass UK musikalisch gerade der spannendste Ort ist. Wir können uns echt glücklich schätzen.

Remo Tatsache.

Daf Kann ich noch ein Portrait von euch schiessen?

Dom Klar. [Sich im Raum umsehend] Da drüben?

Remo Yeah, wie auf dem Schiff… Ahoi!

Kai [Endlich von seinem iPhone losgekommen sich nun an Dom wendend] Kippen?

Dom [Genervt] Nein. Aber lass uns nachher zwei Packungen an der Bar kaufen.

Kai [Sich in Pose werfend] Sorry.

Dom [Sich ebenfalls in Pose werfend] Schon OK.

Remo Legt ihr eigentlich auch auf?

Dom Nö.

Remo Solltet ihr vielleicht, denn euer Resident Advisor Podcast war extrem inspirierend!

Kai Ich glaube nicht, dass irgendwer diesen Podcast wirklich mochte! [Lachend] Darum werden wir wohl auch nur so selten gebucht.

Remo Ich fand ihn echt gut…

Daf [Remo zunickend] OK.

Remo Jungs, wir hauen ab. Danke für eure Zeit. [Daf und Remo ab]

Kai Danke für euer Interesse. [Kai und Dom ab]