12.03.2015 von Remo Bitzi, Luca Bartulovic

Stück In Zwei Akten – BNJMN

BNJMN ist ein maskierter Musikproduzent aus Großbritannien. Die Idee mit der Maske hat er von Kollegen wie Zomby – die auf der Bühne ebenfalls ihr Gesicht verbergen – übernommen, zitiert damit aber auch einen seiner liebsten Filme, nämlich Stanley Kubricks Eyes Wide Shut.

Sein erstes Ausland-Konzert spielt BNJMN im Luzerner Südpol. Davor trifft er sich mit Luca Bartulovic und Remo Bitzi, welche ihn für das zweikommasieben Magazin portraitieren und interviewen.

bnjmn

Erster Akt,
Erste Szene

[Steril wirkender Balkon mit Aluminiummöbeln. Auf dem Tisch steht ein leerer Aschenbecher. Dämmerungslicht, wie es nur an einem schönen Augustabend in der Zentralschweiz vorkommt, erleuchtet die Szene. Von der etwa 70 Meter entfernten Strasse hört man Verkehrsgeräusche. Ansonsten Stille. Mit Bierflaschen in den Händen treten BNJMN, Luca und Remo durch die offene Tür auf den Balkon. BNJMN bringt zudem seine Maske mit, Luca und Remo haben beide ein Notizbuch dabei, Remo zusätzlich ein Aufnahmegerät. BNJMN ist nervös und spielt während der ganzen Szene mit seinen Händen.]

BNJMN Lebt ihr in Luzern? [Setzt sich hin und legt seine Maske auf den Tisch]

Remo Ich bin hier aufgewachsen, war dann aber eine Weile weg und kam fürs Studium vor zwei Jahren wieder zurück. [Setzt sich BNJMN gegenüber hin und legt Aufnahmegerät und Notizheft auf den Tisch]

Luca Ich bin fürs Studium hergezogen. [Lehnt sich gegen das Geländer und beginnt die Situation in seinem Notizheft zu skizzieren]

BNJMN Es ist schön hier.

Remo Ist ganz nett, ja… und für eine Kleinstadt läuft auch verhältnismäßig viel.

BNJMN Ich wohne in einer kleinen Ortschaft an der Südküste. Da passiert gar nichts! Aber das ist gut für die…[Auf das Aufnahmegerät deutend] Läuft das bereits?

Remo Ja, ich hab es drinnen eingeschaltet.

BNJMN [Nach kurzem Innehalten den Faden wieder aufnehmend] …dass nicht viel läuft, ist gut für die Kreativität, weil man nicht abgelenkt wird.

Remo Wo lebst du nochmals?

BNJMN In Bournemouth.

Remo Ah ja, genau.

BNJMN Kennst du die Ortschaft? [Nimmt eine Packung Zigaretten aus der Tasche und steckt sich eine an]

Remo Ja, ich war als Jugendlicher während zwei Wochen da… Abgesehen vom Ausgehen war es sehr cool.

BNJMN In Bournemouth gibt es nur durchschnittliche Clubs… Wenn ich da irgendwo spielte, würde das die Leute wohl total verstören. [Kurzes schüchternes Lachen]

Remo Wolltest du nie wegziehen?

BNJMN Ich lebte während einem Jahr in Brighton. Ich zog dahin, um Musikklassen zu belegen; die Schule taugte aber nichts… Ich habe auch eine Weile bei meinem Bruder in London gelebt. Aber da ich keinen Job und entsprechend kein Geld hatte, musste ich nach Bournemouth zurück. Momentan arbeite ich Teilzeit, hoffe aber, dass ich weiter Musik veröffentlichen kann und gebucht werde und somit das hier zu meinem Fulltime-Job wird – schlussendlich ist es das, was ich mir immer gewünscht habe. Darum fühlt es sich gerade auch ziemlich surreal an.

Remo Ist das dein erstes Ausland-Konzert?

BNJMN Ja… Das dritte insgesamt. Es ist ziemlich nervenaufreibend…

Remo Keine Sorge, wahrscheinlich kommen heute Abend nicht viele Leute.

Luca Dafür die richtigen…

BNJMN Ich bin es gewohnt, vor nicht allzu vielen Leuten aufzutreten. Meinen ersten Gig spielte ich vor etwa 50 Menschen, und letzten Samstag waren nur drei da.

Remo Echt? Hast du nicht auch am Rush-Hour-Abend im Boiler Room gespielt?

BNJMN Ja, ich hab aber bereits um elf gespielt und da war nur der Label-Boss und zwei meiner Freunde da. Danach bin ich nach Hause gefahren und hab den Rest des Abends online geschaut. Plötzlich waren sehr viele Leute da. [Erneutes schüchternes Lachen]

Remo Wann hast du eigentlich angefangen, Musik zu machen?

BNJMN Ziemlich früh. Als ich sechs Jahre alt war bekam ich eine Gitarre und von da an war ich immer in irgendeiner Band – da waren ganz schlimme dabei: Mit der einen coverten wir Funk-Songs, mit einer anderen wollten wir wie Nirvana klingen… Im Lauf des letzten Jahres habe ich wieder öfter Gitarre gespielt. Ich habe auch einige Songs aufgenommen, die auf einem kleinen Label veröffentlicht werden. Das klingt aber total anders als Plastic World.

Remo Kommt das unter einem anderen Namen heraus?

BNJMN Ja, das Projekt heißt Singing Statues und eigentlich sollte das auf… ich glaub ich erwähne den Namen lieber nicht. Wie auch immer, dieses Label nahm zwölf Tracks unter Vertrag, veröffentlichte sie aber schlussendlich nicht. Ich weiß nicht wieso. [Kurzes Innehalten] Nun kommt es halt auf einem kleineren Label raus…

 

Erster Akt,
Zweite Szene

[Selbes Setting und selbe Personen, lediglich Luca fehlt. Mittlerweile ist es dunkel. Einzige Lichtquelle ist eine Lampe im Wohnzimmer, die schwach auf den Balkon scheint.]

BNJMN Ich mag Panda Bear ganz gerne…

Remo Echt? Den Typen hab ich nie wirklich verstanden. Lediglich Surfer’s Hymn, die 7“ für Kompakt, mochte ich. Wobei da finde ich den Actress Remix auch wieder besser…

BNJMN Lustig, dass du Actress erwähnst. In Sachen Live-Set finde ich ihn extrem inspirierend. Es gibt viele Leute, die benutzen lediglich Ableton, was dann eher auf ein DJ-Set hinausläuft. Seine Live-Umsetzung ist aber auf einem komplett anderen Level.

Remo Ich habe ihn neulich live gesehen. Ich erwartete natürlich das zu hören, was auf Splazsh drauf ist. Stattdessen spielte er ein 140 BPM Techno-Set. Es war großartig!

BNJMN (Zündet sich eine weitere Zigarette an) Ich glaube jedes seiner Sets ist anders. Mal spielt er während 20 Minuten nur Noise und das nächste Mal inszeniert er, wie du sagst, seine Musik auf 140 BPM… [Luca erscheint und hantiert mit einer Kamera]

Remo [an Luca gewandt] Der Sucher ist kaputt.

Luca [an BNJMN gewandt] Darf ich ein paar Fotos machen? [BNJMN zögert] Ich bräuchte die als Grundlage für meine Illustrationen.

BNJMN Ok.

[Luca macht Fotos aus verschiedenen Perspektiven]

Remo [Das Gespräch fortführend] Du selber hörst aber nicht viel Techno, richtig?

BNJMN Naja, ich mag beispielsweise die Musik von Efdemin oder Lawrence, auch alte Sachen wie jene von Carl Craig, aber ich bin kein Techno-Nerd. Zur der Zeit als ich Plastic World aufgenommen habe, hörte ich jedoch mehr Techno…

Remo Ich habe gelesen, du hättest das Album vor drei Jahren produziert. Stimmt das?

BNJMN Ja, das stimmt tatsächlich. In der Zwischenzeit habe ich eine Menge andere Musik gemacht. In meinem Live-Set später wirst du zwar ein paar Sachen vom Album hören, aber ich mixe auch neues Material rein. [Kurzes Schweigen]

Remo …sorry, ich muss mal kurz in mein Notizheft schauen. [Mit Blick ins Notizheft] Was wollte ich dich denn noch fragen…

BNJMN Läuft das Interview bis jetzt gut?

Remo Ja, ich glaub schon… [Wieder in seinem Notizbuch lesend] Ich glaub ich hab alles angesprochen, was ich wollte… Eine Frage habe ich aber noch: Was planst du für die Zukunft?

BNJMN Ich habe ein paar Releases geplant, will aber nicht zuviel darüber verraten. Sobald ich davon rede, geht nämlich etwas schief. Das zumindest passierte mit Ghostly[Durch eine hektische Handbewegung fällt die Maske zu Boden. Metamorphose: BNJMN verwandelt sich in Ben Thomas. Ben hält einen Moment inne, dann lacht er] Shit! [Alle lachen] Naja, jetzt ist es raus. [Mit entspannter Stimme] Gohstly sollte eben meine Musik rausbringen, was aber nicht geklappt hat. Das war eher Gitarren-basierte Musik… Ich funktioniere in Phasen: Zeitweise nehme ich viele akustische Sachen auf, dann wieder Elektronisches. Eine der geplanten Platten ist wieder für Rush Hour. Dieses Material habe ich während den letzten sechs Monaten aufgenommen und das ist dann wieder technoider… Vielleicht veröffentliche ich auch etwas auf Lones Label.

Remo Ich wusste gar nicht, dass Lone ein Label betreibt.

Ben Es heißt Magic Wire und ist relativ jung. Seine LP Emerald Fantasy Tracks hat er darauf veröffentlicht.

Remo [Schaut auf die Uhr und erschrickt] Shit, ich hab die Zeit total vergessen – ich muss los… Ich hab versprochen, auch noch ein paar Songs zu spielen.

Ben Legst du auf oder spielst du live?

Remo [Lachend] Ich kann weder das eine noch das andere. Darum spiele ich einfach ein paar Songs, die ich jeweils ansage. [Remo, noch immer lachend, ab]

Luca [Seine Sachen zusammenräumend] Kann ich noch eine Frage stellen?

Ben Klar.

Luca Kennst du Gaspar Noé?

Ben Enter The Void!

Luca Genau. Ich musste während dem Interview ein paar Mal an diesen Film denken.

Ben Der ist echt krass. Was er mit diesen Gebäuden macht – unglaublich!

Luca Für mich persönlich ist das einer der eindrücklichsten Filme – auch physisch ist er eine Herausforderung.

Ben Auf jeden Fall. Noé hat aber auch schon davor ziemlich starke Filme gemacht. Irreversible zum Beispiel… (Ben und Luca in ihrem Gespräch vertieft ab)

 

Zweiter Akt

[Maskiert steht BNJMN hinter Laptop und weiterer Elektronik auf der Bühne. Euphorische Rave-Chords, treibende aber dennoch dezente Kick-Drum, frickelnde Perkussion. Die Gäste (inklusive Luca und Remo) verteilen sich auf Sofas und Stühlen etwa zwanzig Meter von der Bühne entfernt. Einige stehen, vereinzelt wird getanzt. Plötzlich löst sich die Maske des Musikers und fällt zu Boden. Metamorphose: BNJMN verwandelt sich auf der Bühne in Ben Thomas. Ben spielt entspannt weiter.]

 

Epilog

[Ben und Remo sitzen sich auf der Terrasse vor dem Konzertsaal gegenüber. Um sie herum sitzen und stehen einige Gäste, die miteinander reden. Vor Ben und Remo stehen zwei frisch gezapfte Biere. Gelöste Atmosphäre.]

Ben Elektronische Musik hörte ich das erste Mal wohl auf MTV2. Da lief dieser Aphex Twin Clip…

Remo Window Licker?

Ben Genau. Ich war damals 15. Den Kopf des Typen auf diesem Frauenkörper zu sehen war irgendwie… verwirrend.

Remo [Lachend] Ja.

Ben Ich bin auch schon lange Radiohead-Fan. Kid A war für mich sehr prägend. Früher habe ich aber auch oft Pink Floyd gehört. Ich glaube das hat nach wie vor einen großen Einfluss auf mich.

Remo Was interessiert dich abgesehen von Musik?

Ben Filme!

Remo Zum Beispiel…

Ben Ich liebe Kubrick…

Remo Was sind denn deine drei Lieblingsfilme?

Ben Die Top Drei… Das ist hart. Kann ich dir die Liste noch in ner Mail schicken?

Remo Klar.

Ben Ich glaube, dass Filmemachen sehr ähnlich ist wie Musik zu produzieren. Kennst du Vincent Gallo?

Remo [Begeistert] Ich bin ein großer Fan! Buffalo 66 liebe ich über alles…

Ben Ja. Ich liebe auch Brown Bunny und den dazugehörigen Soundrack. Dieser eine Jackson C. Frank Song ist unglaublich.

Remo Kennst du Franks Lebensgeschichte?

Ben Ja, die ist unglaublich deprimierend… Ich glaube, viele gute Musik hat ihren Ursprung im Leiden eines Künstlers. Die nehmen diese dunkle Energie und machen etwas Positives daraus…

[Fade Out]