02.07.2015 von Remo Bitzi

Gold Panda – Ein Monolog

Gold Pandas Musik steht für melancholische Mini-Mantras, die für an ADS leidende Klubbesucher konzipiert wurden – so nimmt es zumindest den Anschein beim Hören von «Quitter’s Raga», «You» sowie die meisten anderen seiner Kompositionen. Da der introvertiert wirkende Brite während des Gespräches vor seinem Konzert im Südpol kaum einen Moment des Schweigens zuliess – zu unangenehm und bedrückend wäre Stille im Derwinschen Universum – fügen sich seine Antworten zu einem einzigen Monolog zusammen und kommen gut ohne Fragen aus.

Darum in einem Atemzug Mr. Panda himself:

«Ich bin Derwin, Gold Panda ist mein Künstlername. In Kontakt mit Musik kam ich durch meine Eltern; zu Hause spielten sie oft Klassik und Rock’n’Roll. Da ich in South London aufwuchs, hörte ich während meiner Kindheit auch eine Menge Reggae, Hip Hop und R’n’B. Die erste Platte die ich mir selber kaufte, war – aus was für Gründen auch immer – Pavarotti’s Greatest Hits… Als meine Familie von London nach Essex zog, erlitt ich einen Kulturschock. Obwohl nur etwa 60 Kilometer voneinander entfernt, sind das zwei völlig verschiedene Welten: In London kamen all meine Schulfreunde aus anderen Ländern; es war ein einziger kultureller Melting Pot. In Essex hingegen war jeder weiss, hatte Geld und hörte Brit Pop. Ich habe auch mal Oasis gehört, aber nie Blur oder Cast. Ich rebellierte gegen diese Monotonie, indem ich mich mit Gangsta Rap auseinandersetzte, Baggy Pants trug und 2Pac Poster aufhängte. Zum Glück kam ich irgendwann von diesem Trip runter… Mit 15 Jahren erhielt ich von meinem Onkel, der selber Musik produziert, einen Atari Computer mit Q-Base und einen Akai Sampler. So fing das bei mir an. Ich wusste nicht wirklich, was aus mir werden sollte, bis das mit Gold Panda losging. Zuerst war Musik nur ein Hobby, nun ist sie mein Beruf.

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Meistens starte ich meine Songs mit einem Sample von einer alten Platte. Ich loope dann jeweils drei Sekunden oder so um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen. Als Ausgangspunkt für diese Atmosphären können ganz unterschiedliche Situationen dienen: Manchmal stelle ich mir vor, wie ich um Berge herum oder über Stadtlandschaften schwebe, manchmal starre ich einfach aus dem Fenster von Transportmitteln, manchmal versuche ich für ein Gefühl einen entsprechenden Soundtrack zu finden. Darum handeln meine Songs nicht von Beziehungsproblemen oder dem Tod oder der Regierung… Mit Ghostly 1 zusammenzuarbeiten war diesbezüglich grossartig. Ich wollte nicht, dass mir jemand reinredet und das fanden sie OK. Es waren noch andere Labels an meiner Musik interessiert, aber bei Ghostly fühlte ich mich von Anfang an wohl. Das war mir wichtig weil ich nicht nach etwas Temporärem suchte, sondern eher nach einem Zuhause – ich will ja nicht nur ein Album veröffentlichen… Mit Ghostly kam ich in Kontakt, weil sie mich auf MySpace stalkten! Sam schickte mir irgendwann eine Nachricht, worin er schrieb, dass er mit mir zusammenarbeiten wolle. Er fragte konkret ob ich Tracks für ein Album in der Pipeline hätte. Ich sagte, dass ich gerne mit Ghostly zusammenarbeiten würde, aber noch kein Material hätte… Nach dieser Konversation habe ich mich dann ans Aufnehmen von Lucky Shiner gemacht. Das war 2009… In diesem Jahr habe ich Weihnachten bei meiner Tante und meinem Onkel verbracht. Dieser Aufenthalt inspirierte mich unter anderem zum Track ‘Snow & Taxis’: Um vom Bahnhof zu deren Haus zu gelangen muss man ein Taxi nehmen. Es gibt zwar öffentliche Verkehrsmittel, aber die fahren nur während der Rush Hour – eigentlich ist es eher eine Fahrgemeinschaft für Leute, die pendeln, als ein öffentlicher Verkehrsdienst. Wie auch immer, wenn du diesen Bus verpasst, musst du ein Taxi nehmen, was bei mir der Fall war… Taxis sind schon komisch: Da bist nur du und der andere Typ. Du kennst ihn nicht, aber bezahlst ihn dafür, dass er dich irgendwo hinfährt. Ich fühl’ mich dann immer gezwungen, mich mit dem Taxifahrer zu unterhalten. Das nicht zu tun wäre doch irgendwie unanständig, nicht? Auf jeden Fall sind dies die Gedanken hinter Snow & Taxis. Das plus Schnee, weil es an jenem Tag schneite…

Obwohl ich eine ziemlich kurze Aufmerksamkeitsspanne habe – ich langweile mich ziemlich schnell… hm, nicht langweilen… meine Gedanken gehen einfach woanders hin – liebe ich es, mir zehn Minuten-Tracks anzuhören. Ich glaube aber, dass ich niemals selber so lange Stücke schreiben könnte. Ein Track sollte einfach passieren; in meinem Fall während ein paar Stunden oder einem Tag. Sobald ich mehr als einen Tag an einem Song arbeite, wird das zu einer unendlichen Geschichte. Ich füge hier noch etwas hinzu und da auch. Je länger ich an etwas arbeite, desto unfertiger klingt es für mich… Das Problem ist, dass ich grosse Ideen habe; wenn es aber an die Umsetzung geht, hören sich diese grossen Ideen dann plötzlich ganz anders an. Das ist wohl, weil mein Gehirn hingehen kann wo immer es will, während ich selber eingeschränkt bin. Ich setze mir oft selber Einschränkungen – und das ist gut, sonst würde wohl keiner meiner Tracks jemals das Licht der Welt erblicken… Was mich an meiner Musik langsam stört, ist, dass ich immer wieder dieselben Tracks spielen muss. Ich würde mich gerne weiterentwickeln und ein neues Album aufnehmen, aber es gibt momentan einfach zu viele Live-Angebote. Darum wäre es dumm jetzt mit den Live-Sets aufzuhören… Live zu spielen finde ich allgemein eine schwierige Sache: Ich muss Musik, die ich auf dem Computer in meinem Schlafzimmer aufgenommen habe, für eine Party-Crowd interessant präsentieren. Das ist doch irgendwie verrückt… Noch verrückter ist es, dass ich bald in Japan spielen werde. Ich hab etwa während einem Jahr da gewohnt; in Kawasaki, aber das wird quasi zu Tokyo dazugezählt. Kawasaki ist ziemlich industriell, sehr inspirierend – und total verrückt… Als ich nach Japan zog, konnte ich noch nicht wirklich japanisch. Mittlerweile kann ich schreiben, lesen und sprechen. Ich machte während einem Jahr einen Intensivkurs. Dafür verkaufte ich all mein Vinyl – nur um Japanisch zu lernen. Der Kurs war krass: sieben Tage die Woche, full-time! Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das war 2004. Mittlerweile ist das alles ein bisschen eingerostet; aber ich kann noch die Zeitung lesen. Immerhin… Ich versuche gerade, an möglichst vielen verschiedenen Orten zu leben. Die Welt ist so gross – es wäre schade, dies nicht zu tun. Bis letzte Woche habe ich mit meiner Freundin in Hamburg gewohnt. Nun sind wir nach Berlin gezogen. In letzter Minute wurde die Wohnung, die wir bekommen sollten, an jemand anderen vergeben. Darum wohnen wir gerade in der Wohnung eines Freundes, der nicht da ist. Überall Umzugskisten! Und wir müssen in sechs Wochen wieder raus. Es ist ein Albtraum!

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Die schreiben Worldmusic auf den Flyer 2 … Ich glaube ich werde von Worldmusic inspiriert. Aber was ist Worldmusic schon? Ich verstehe das Genre als Musik aus irgendeinem Land ausser deinem eigenen. Worldmusic ist auf jeden Fall etwas exotisches, nicht traditionelles. Sprich: Nicht Pop, nicht Jazz, nicht Klassik. Ich denke die Bezeichnung ist auf die Nische im Plattenladen zurückzuführen in der man Vinyl finden konnte, das irgendein unbekanntes Cover mit unverständlichen Schriften zierte. Meistens entdeckt man in der Worldmusic-Sektion experimentellere Musik als in der Experimental-Ecke – religiöse Musik aus dem Nahen Osten ist beispielsweise ziemlich abgefahren! Dann schreiben die auch IDM. Intelligent Dance Music. Das klingt irgendwie grosskotzig, nicht? Wenn du es nicht verstehst, bist du nicht clever genug… Meine Musik hat einen 4/4 Beat, ist also nicht so intelligent. Wobei, als ein Teil von Ghostly kann man schon das Gefühl bekommen, clever zu sein. Oder besser: IDM zu sein. Chillwave und all die anderen Bezeichnungen sind auch Nonsense. Aber die Leute brauchen das, damit sie sich im Musik-Dschungel zurechtfinden und wissen was sie kaufen sollen… Ich persönlich kaufe Platten anderer Musiker meistens anhand des Covers. Das war es wohl auch bei Pavarotti! Gefällt mir das Art Work, gebe ich der Platte eine Chance. Neulich hab ich mir beispielsweise die neue Autechre Platte gekauft… Move Of Ten heisst sie. Die haben zwei Alben ziemlich nahe nacheinander veröffentlicht. Ein Track ist unglaublich toll, aber ich kann mir die Namen nie merken, weil… du weisst schon 3. Ezekiel Honig find ich auch sehr gut. Er ist Amerikaner, etwa 35 oder 40 Jahre alt und macht Ambient, das er oft mit dezenten Beats und Field Recordings kombiniert. Seine Musik könnte man als Slow Techno bezeichnen. Das witzige daran ist, dass seine Tracks nicht wirklich eine Struktur zu haben scheinen: Die fangen einfach irgendwie an und hören irgendwie wieder auf. Das neue Kate Bush-Album hab’ ich mir auch neulich geholt – ist grossartig! Und die Kanye West Platte ist auch ganz gut…»

  1. 1993 von Sam Valenti IV aka SV4 gegründet, beglückte das Plattenlabel Ghostly International die Musikszene bereits mit Matthew Dears in Pop getünchte Electronica, Lusines meditativen Klangexperimenten oder jüngst Com Truises dem Wahnsinn nahen Synthesizer-Eskapaden
  2. «BEEN THERE DONE THAT: GOLD PANDA (UK), SA 21.05.2011 23.00 h, Club: Worldmusic, IDM, Präsentiert von Korsett und Südpol»
  3. Anfangs noch mit Montreal oder Nine betitelt, wurden die Tracknamen des britischen Duos – proportional zu ihrer Musik – unzugänglicher, was zuletzt zu kryptischen Bezeichnungsexzessen à la O=0, pt2ph8 oder auch pce freeze 2.8i und Cep puiqMX führte